Sonntag, 05. Mai 2024, 12:57
 

Fallstudie

Wenn der Talkmaster aus Freude über den vermeintlichen Sieg in die Hose macht !



Weniger als eine Stunde reichte, um meine neutrale bis positive Wahrnehmung bei vier Prominenten zu justieren. Alle vier Unterhaltungslichter waren ab diesem Moment für mich Spielverlierer, beschädigt von ihrem peinlichen Auftritt als reale Personen im Fernsehen.

Im Herbst 2007 beachtete ich in den Online News, dass Talkmaster Johannes Kerner den Talkshow Gast Eva Herman, aus der Sendung geworfen hat. Grund für mich um am Abend die Kerner ZDF-Talkshow anzusehen. Was ich zu sehen bekam, eignet sich als Case Study für junge und alte Manager, denn es zeigte schonungslos auf, was passiert, wenn man nicht Chef in der Manege ist! Die versammelte Meute macht was sie will.

Es war Kerners Zirkus, es war seine Manege, in welcher er zusätzlich zur artigen Hauskatze "Eva Herman", noch den Terrier "Margarethe Schreinemakers", den Zwergdackel  "Senta Berger" und das Chamäleon „Mario Barth“ versammelt hatte.

Dompteur Kerner machte gleich zu Beginn den taktischen Fehler, dass er sich die Führungsrolle aus der Hand nehmen liess. Sicher kann man in einer von Anfang an heissen und aufgeladenen Situation ganz bewusst die ungeduldigen Mitstreiter nach vorne preschen lassen, um ihnen einen ersten geilen Ego-Auftritt zu gönnen! Doch der Dompteur muss Führung zeigen, er muss vorab die Bissigen an die Kandare nehmen, damit sie auf sein Kommando hören. Der Dompteur muss von allen akzeptierter Chef in der Runde sein, sonst entgleitet ihm der Ablauf. Soll heissen, ob als Dompteur oder Talkmaster, die Gäste im Studio und die Zuschauer zu Hause am Fernseher wollen unterhalten sein, wollen das Austeilen und das Einstecken bis am Schluss geniessen, um erst am Ende der Show individuell zu entscheiden, wer für welchen Angriff oder welches Parieren, wie viele Punkte zugeteilt bekommt. 

Kerner hat es total vermasselt. Er hat es zugelassen, dass der Terrier die Hauskatze ständig attackiert und schwer gebissen hat. Kerner war parteiisch, der Kampf fand ohne Regeln statt, was der Dompteur  genossen hat. Anstatt die Zuschauer in den Genuss eines Hin und Her wogendes Kampfes kommen zu lassen. Was haben sich Kerner und seine Redaktion dabei gedacht, als sie im Vorfeld den Ablauf der Sendung besprochen haben?

Kerner und Redaktion hatten wohl, wie anschliessend in den Medien zu lesen war, eine öffentliche Hinrichtung der Eva Herman für den Fall geplant, dass sie nicht als "Quoten Zünder für Kerner“ während der Sendung, eine Aussage machen würde, die Kerner dem Deutschen Fernsehvolk als Entschuldigung und Distanzierung von ... einer ungeheuerlichen Aussage präsentieren wollte.

Es ging um einen sehr gravierenden Vorwurf, der von Herman bestritten wurde, jedoch von Kerner und der „Öffentlich rechtlichen Anstalt ZDF“ nicht auf seine Stichhaltigkeit überprüft wurde. Dies obwohl es für den Giganten ZDF und seinen Unterhaltungskasper Johannes Kerner, ein Leichtes gewesen wäre, die vorhandenen Fernsehaufnahmen zu kontrollieren, um Klarheit zu schaffen, zwischen einer Meldung im Hamburger Abendblatt und der von Herman von Anfang an als unkorrekte Interpretation bestrittenen Aussage.

Beim Blick in die Manege war auch für ungeübte Beobachter auffällig, wie unruhig M. Schreinemakers auf ihrem Platz sass. Diese Person konnte ihre Nervosität nicht verbergen und ihre Klappe nicht halten. Sie war ja vom Superstar jenes TV-Unterhaltungstyps, wo Menschen zu einem Seelenstriptease fürs Quotenbolzen animiert werden, zur Sympathieverliererin mutiert, weil ihre Steueroptimierungs-Mentalität vom Publikum nicht akzeptiert wurde.

Die Einladung von Kerner, der Auftritt vor dem geliebten und seit einiger Zeit schmerzlich vermissten Millionenpublikum, muss bei ihr zu einem mentalen Gehirndoping geführt haben. Das war einfach eine irre Chance, eine Chance die sie nutzen musste, um Deutschlands Fernsehzuschauer zu zeigen, mit welchem Elan und mit welcher Bissfreude, sie auf das von der Redaktion zum Verriss freigegebene Unterhaltungsopfer einwirken würde. Es war, wie wenn - bildlich gesprochen - der Jagdterrier Blut geleckt hätte. Es hielt sie kaum auf ihrem Platz! Da war mühsam unterdrückte Energie vorhanden, Energie um den Stuhl von Kerner zu übernehmen. Der war aus ihrer Sicht fällig für die Entsorgung in der Requisitenkammer. Es war offensichtlich, dass sie sich für die bessere Modoratorin hielt. 


Kerner liess sie gewähren, wohl aus der falschen Überzeugung heraus, dass er damit die Doppelrolle als Ankläger und Richter kaschieren konnte. Der Preis war jedoch, dass er die Kontrolle über die Akteure in der Manege verloren hat. Die auf Sieg gedopte Schreinemakers verstand es, Senta Berger dazu zu bringen, ihren Tiraden beizupflichten und gleichzeitig - zwar nur zaghafte - Bisse anzubringen. Dies aber immerhin dort, wo es herrlich zusätzlich weh tat, weil die offene Terrier-Biss-Wunde blutete. S. Berger fand ich etwas hilflos, da war nicht die selbstbewusste und resolute Frau, wie ich sie aus Filmrollen kenne und schätze. Da war nicht der in Filmen blendend zur Show gestellte Intellekt auszumachen.

Der Terrier bellte, knurrte und biss und die Berger machte jeweils einfach das nach, was Schreinemakers als Vorturnerin machte. Mario Barth war mit der Situation überfordert. Auf jeden Fall, war er sich mit Blick auf die dominanten Weiber einerseits und das Publikum andrerseits, offensichtlich nicht sicher, was er eigentlich sagen wollte und was er sagen sollte. Er zeigte mir einfach, dass es eine Sache ist, einstudierten Klamauk und dumme Sprüche auf der Bühne darzubieten und ein eigenes Meinungsprofil – ohne Drehbuch – überzeugend und mit rotem Faden abzugeben.


Dann kam der Moment, als Kerner Herman aufforderte, das Studio verlassen. Die freundlich zufriedene Miene von Kerner, liess mich erahnen, dass er selber in diesem Moment noch nicht spürte, dass er voll in die Hosen gepfundet hatte. Eltern mit Babys zu Hause kennen es und Grosseltern kennen es auch wieder, wenn die Enkel auf Besuch kommen. Babys tun es ohne Voranmeldung, in Momenten wo sie fröhlich und mit sich zufrieden sind, kacken sie einfach in die Hosen. Der grosse Johannes Kerner machte genau diesen Eindruck auf mich, als er dem Drängen von Schreinemakers und Berger nachgab und die als Talkshow Gast eingeladene Herman zur Persona non grata erklärte und einen TV-Eklat der besonderen Art produzierte.


Grosser Kerner, dachte ich, die frische Kacke ist noch warm und weich und du merkst noch gar nicht, dass dies der Anfang einer Problemsituation ist, welche erst verzögert zu Schmerzen führt. Vielleicht hat ihm die Redaktion, als es bereits zu spät war, in den Ohrstecker geflüstert, dass die Geschichte nicht gut war. Und vielleicht hat er dann gespürt, dass die Hose nicht alle Kacke halten konnte und sich ein Teil davon, der Schwerkraft folgend, an den Beinen runter rutschte, um dann von den Schuhen aufgefangen zu werden.

Er stand voll in der eigenen Produktion. Den damit verbundenen Geruch, würde er vermutlich nie mehr ganz los werden. Für mich war auf jeden Fall klar, dass Kerner sich einen Karriereknick eingebrockt hatte, der nicht ohne Folgen bleiben konnte. Kerner hatte die Situation nicht im Griff, er liess sich von Schreinemakers manipulieren. Thomas Gottschalk und Frank Elstner haben dagegen in ihren Sendungen bei Provokationen meisterhaft reagiert.


Der vermutlich in diesem Moment in den Köpfen der Fernsehgewaltigen entstandene Trennungsbeschluss, wird – wie üblich auf dieser Ebene – nicht unmittelbar nach einem Desaster kommuniziert. Doch dieser PR-Schaden konnte nicht ohne Folgen bleiben. Dafür lässt man sich jedoch Zeit bis Gras über die Geschichte gewachsen ist und nennt auch dann nicht unbedingt den wahren Grund für die Trennung. 


Schreinemakers sass strahlend und selbstzufrieden da, aufgewühlt vom gefundenen Glück, wie wenn die O-Post eingetroffen wäre. Es war eine voreilige Siegerlaune. Dieser Auftritt entfaltete sicherlich nicht die gewünschte Katapult-Wirkung zur Rückkehr als Starmoderatorin. Im Gegenteil. Ist man im Leben nicht direkt betroffen von schlechtem Stil und Benehmen, kann man solche wilden Schreinemakers-Auswüchse als amüsant empfinden, aber wer will sich mit so einer Person auf einen zukünftigen, freiwilligen Gastauftritt im Fernsehen einlassen?


Ich bin mit Eva Herman weder verschwägert noch verwandt. Besitze kein einziges Buch von ihr und habe noch nie ein Buch von ihr gelesen. Ihr Buch das „Eva Prinzip“ kenne ich nur aus der Rezension, wobei ich zur Meinung gelangt bin, dass sie abstruse Ideen vertritt.  Doch trotz dieser klaren Abgrenzung zu der Autorin Eva Herman muss ich festhalten, dass die Kerner Talkshow im ZDF, für mich eine bedenklich schwere Fehlleistung war. Die Medien insgesamt sehen schlecht aus, wie sie den Fall gehandhabt, bzw. nicht gehandhabt haben.


Kerner und seine Redaktion haben Folgendes versäumt :

  • Keine investigative Journalismus Abklärung des richtigen Sachverhalts
  • Entweder unterhält sich nur der Talkmaster mit dem Gast, wie es schwergewichtig der normale Fall ist, oder wenn alle Anwesenden auf Herman einprügeln dürfen,
    hätte es die Fairness der Redaktion verlangt, dass in die Runde auch Herman Sympathisanten eingeladen worden wären.
  • Kerner hat zuerst die Kontrolle über den Ablauf verloren und anschliessend
    hat man ihm gesagt, was er tun sollte und er hat es gemacht!

    Ergänzende Feststellung
  • Auf der Jagd nach Quote hatte Kerner bereits versagt, als er nach einem
    Amoklauf Massaker an einer Schule, einen Kinderschüler mit Fragen bedrängte

    Aktualisiert 28.05.2010 16.12

      

    Hintergrund Artikel  

Welt Online 24.05.2010 

"Die Wahrheit und ihr Preis"

Eva Herman, ein Running Gag der Emanzipation

Von Antje Hildebrandt 24. Mai 2010, 13:10 Uhr

In ihrem neuen Buch rechnet die ehemalige Tagesschau-Moderatorin Eva Herman mit ihren Gegnern ab. Doch wer gesammelte An- und Entschuldigungen erwartet, liegt falsch. Der Ton, in dem dieses Buch geschrieben ist, ist eher leise und teilweise angenehm selbstironisch. Die Geschichte eines Missverständnisses.

Volltext-Quelle

28.05.2010, 03:06 von Relax-Senf | 3610 Aufrufe

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