
Mit einem Lotos durch den Kashmir 3/822. Juli 1999 Wir werden um 05:30 geweckt, was gar nicht so schlimm ist, denn die letzten drei Tage war jeweils bereits um 04:00 Tagwacht. Es gibt ein umfangreiches Frühstück, alles wird auf Benzinkochern gemacht, da es (noch?) keinen Strom gibt. So riecht und schmeckt der geröstete Toast etwas gewöhnungsbedürftig, aber egal, jetzt müssen wir futtern, wer weiss, wann es das nächste Mal etwas gibt.
Unsere Taschen sind schon gepackt, bzw. wurden gar nicht erst ausgepackt. So stehe ich auf dem Verbindungssteg zwischen den Hausbooten und will die Morgenstimmung fotografieren. Das Wasser färbt sich zart rosa und ein leichter Nebel steigt auf. Die Stimmung ist wunderbar, auch die Eisvögel sind wieder da.
Ein Boot, vollbeladen mit Blumen, wie ich es gestern schon sah, nähert sich dem Steg. Der Mann wundert sich wohl über die Fremden. Er hält direkt auf mich zu, legt die Handflächen aneinander: der Namaste-Gruss, der soviel wie „ich grüsse den Gott in Dir und mir“ bedeutet. Ich erwidere ihn gerne. Er zupft aus den vielen Blumen einen Lotos, reicht ihn mir mit den Worten „ajahad safar“, was soviel wie „gute Reise“ heisst - eine der wenigen Redewendungen, die ich in Hindi kenne. „Dhanyabad“ sage ich – danke. Mit ein paar wenigen Ruderschlägen ist er schon wieder weg, taucht in den Nebel ein, und wenn ich nicht den Lotos in den Händen hielte, würde ich glauben, geträumt zu haben.
Allen Unkenrufen unserer Mitreisenden zum Trotz sitzen wir pünktlich um 07:00 in einem anständigen Bus; die Sitze sehen zwar etwas klapprig aus, sind aber erstaunlich gut gepolstert.
Zwischen meinen Füssen steht der Lotos in einer mit etwas Wasser gefüllten Petflasche, der ich den Hals abgeschnitten habe. Mein Mann meinte: „Den willst Du doch nicht etwa mitnehmen!?“ „Doch“.
Wir verlassen Srinagar Richtung Osten und halten auf die steil aufragende Bergkette zu. Links und rechts sind üppige Reisfelder, dann wird das Tal enger, und mit zunehmender Höhe die Dörfer weniger und die Strasse schmaler und schlechter. Lärchen und Kiefern säumen den Weg und der tiefblaue Himmel, die vielen Bäche und die schneebedeckten Gipfel lassen erahnen, weshalb der Kashmir auch „die Schweiz Indiens“ genannt wird.
In Kangan ist der erste,
in Sonamarg der zweite Checkpoint.
Private Lastwagen und Pferde werden für Materialtransporte vom Militär annektiert
Während sich Sanath und der Fahrer um die Formalitäten kümmern, streifen wir durch das Dorf.
Viele Menschen sind unterwegs, auch Flüchtlinge, die in ihre Häuser zurückkehren.
Auch hier sind wir wohl seit langer Zeit die ersten Touristen, und werden entsprechend neugierig beäugt.
Der Militär - ist ein Sikh, erkennbar am Kopftuch - kauft gleich alle Hühner
Erstaunlicherweise sind die Läden voller Waren, und so können wir es uns erlauben, Aepfel und Bananen zu kaufen, von den feinen, kleinen. Einigen von unseren Mitreisenden sind die nicht gut genug, sie sind sich grössere gewohnt. Ich sage nichts; ich habe mir schon die letzten drei Tage die ständige Stänkerei über Indiens Dreck und Armut, die Inder, die angeblich faul und Halsabschneider sind, den fürchterlichen Monsun und das scharfe Essen anhören müssen. Ich bin wirklich froh, wenn die auf ihr Trekking gehen.
22.09.2011, 00:19 von Karin |
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