
Mit einem Lotos durch den Kashmir 2/83 Tage später, 21. Juli 1999
Srinagar, 1'700 M.ü.M., 25°C, normale Luftfeuchtigkeit, strahlend blauer Himmel.
Ich kann gut verstehen, dass sich die Engländer während der Sommermonate gerne hier aufhielten; aber ich wollte eigentlich nie hier hin. Dreimal sassen wir im Flugzeug nach Leh; das erste Mal wendete der Pilot, weil die Sicht für eine sichere Landung nicht ausreichte, gestern frühstückten wir an Bord, während der Pilot auf besseres Wetter wartete, das aber nicht eintraf, und heute erlebten wir nochmals dasselbe, mit dem Unterschied, dass es statt Frühstück nur noch Saft gab.
keine Chance: die ca. 8km breite Anflugschneisse liegt mitten im Himalaya, zwischen majestätischen Sechstausernden Anstelle ins Hotel zurückzukehren machte uns Sanath, der deutsch sprechende Guide und Junior-Chef des indischen Reisebüros, den Vorschlag, wir könnten nach Srinagar fliegen und dann auf dem Landweg durch den Kashmir in den Ladakh fahren.
Indien befindet sich wieder einmal im Krieg mit Pakistan und wie immer geht es um den Kashmir. Die Paks, wie sie hier genannt werden, stiessen vor einigen Wochen so weit in den indischen Teil vor, wie noch nie zuvor, konnten aber erfolgreich und mit grossen Verlusten zurückgedrängt werden. Seit einer Woche herrscht nun Waffenstillstand und der 430 km lange Beacon-Highway, die einzige westliche Verbindungsstrasse in den Ladakh, und eine der gefährlichsten Strassen der Welt, ist seit heute wieder für den Privatverkehr geöffnet. Zwei Personen aus der Trekking-Gruppe ist dies zuviel Abenteuer, sie haben die Reise abgebrochen. Ich weiss, dass der Beacon-Highway ganz nahe am Fuss einer Bergkette verläuft, und so von der pakistanischen Seite aus nicht beschossen werden kann. Da die indische Truppenpräsenz im Kaschmir recht hoch sein wird, schätze ich die Gefahr von Geiselnahmen, wie sie vor dem Krieg des Oeftern vorkamen, als inexistent ein.
All dies geht mir durch den Kopf, während ich vom Dach unseres Hausbootes mitten auf dem Dalsee in die Dämmerung sehe, die über Srinagar hereinbricht. Alles ist so still, in Frieden getaucht. Schillernde Eisvögel fliegen über den See, auf schwimmenden Inseln werden Blumen und Gemüse gezüchtet. Weil die Engländer kein Land im Kashmir erwerben durften, verankerten sie Hausboote auf dem Dalsee
Nach der Landung hat uns Sanath aus Sicherheitsgründen sofort hierher gebracht. Anschläge von Separatisten und dem Pakistanischen Geheimdienst sind in Srinagar praktisch an der Tagesordnung, zudem hat das Militär die meisten Hotels zu Kasernen umfunktioniert. Schade, ich wäre gerne durch diese Strassen geschlendert und hätte mir die mit schönen Schnitzereien verzierten Holzhäuser angesehen. So blieb es bei einem schnellen Blick aus dem Fenster des Taxis, das uns auf direktem Weg zur Bootsanlegestelle brachte.
Wir sind wohl seit Monaten die ersten Touristen, die in dieses Gebiet kommen, und hatten so die freie Auswahl bei den Hausbooten, die über vier wunderschöne, grosse Schlafzimmer, ein Esszimmer und einen Aufenthaltsraum verfügen, und von einem älteren Mann mit Rauschebart und dem obligaten Reisig-Handbesen sofort liebevoll zurechtgemacht wurden.
Kurt und ich haben uns weder über sein schlechtes Englisch oder seinen pyjamaähnlichen Anzug mokiert, noch die fehlenden Handtücher im Badezimmer angemahnt, dafür haben wir sie als Erste bekommen und es wurde uns Tee auf der Dachterrasse serviert. Jetzt kümmert er sich mit einem Gehilfen ums Nachtessen, während Sanath für morgen einen Bus mit Fahrer organisiert.
Esstisch mit Porzellangeschirr, Kristallgläsern und Silberbesteck: very British!
Wir haben eine Privattour gebucht, hätten also eigentlich Anrecht auf ein eigenes Fahrzeug, aber darauf verzichten wir dankend; in der Gruppe ist es bestimmt sicherer und wir wollen auch das Risiko nicht eingehen, vom Bus bei einem der zahlreichen Checkpoints, die wir passieren müssen, getrennt zu werden.
Morgen sollten wir unbedingt die 230 km nach Kargil schaffen, denn da steht das einzige Hotel: Dafür müssen wir einen 3’500 m hohen Pass überqueren, der unbefestigt ist, wie auch der grösste Teil dieses „Highways“. Wir veranschlagen zehn Stunden Reisezeit, freiwillige Zwischenstopps werden keine gemacht, sonst erreichen wir unser Ziel nicht vor Einbruch der Dunkelheit. Fotografieren ist grösstenteils untersagt, denn es dürfen keinerlei militärische Einrichtungen abgelichtet werden, und es wird schwierig sein, Sujets ohne solche zu finden.
20.09.2011, 18:29 von Karin |
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