Mit einem Lotos durch den Kashmir  1/8

Ich werde oft nach meinem eindrücklichsten Reiseerlebnis gefragt.

Es ist nicht einfach, darauf eine passende Antwort zu geben, denn obwohl es für mich feststeht, welches das ist, ist es unendlich schwierig, das Erlebte in verständliche Worte zu fassen, da so vieles mit hineinspielt, wofür es keine Erklärung gibt. Genau das macht es für mich auch so speziell und zu etwas ganz Persönlichem, Unwiederholbarem.

Dennoch will ich es versuchen und dazu überarbeitete Ausschnitte aus meinem Reisetagebuch verwenden:

18. Juli 1999

Ankunftshalle Delhi Airport:

Ich bin nach sechseinhalb Jahren zurück in dem Land, das ich eigentlich gar nie verlassen habe, stehe neben unserem Gepäck und warte auf  Kurt, meinen Mann, der mit dem Guide die übrigen Reiseteilnehmer sucht.  Gemeinsam werden wir morgen nach Leh (3'800 m.ü.M.) fliegen, dem Hauptort des ehemaligen Königreiches Ladakh.  Heute ist es Teil der nördlichsten Provinz Indiens: Jammu & Kashmir.  

Wir werden uns dort von den anderen trennen, die ein Trekking machen,  und mit einem Jeep inklusive Fahrer und Guide die buddhistischen Klöster im Industal besuchen, die da noch so erhalten sind, wie sie es früher im Tibet waren.

Ein Kind mit Downsyndrom zupft mich an der Hose. Ich bücke mich zu ihm hinunter, es strahlt mich an. Nimmt meine Hand und schmiegt sein Gesicht hinein. Sein Vater kommt entschuldigend auf mich zu, und ich sage ihm auf Englisch, dass das doch gar kein Problem sei, Kinder seien doch so. Endlich höre ich es wieder, das Englisch mit dem rollenden R, bei dem nicht die Hälfte verschluckt wird.

Eine indische Lady, deren wunderschöner Seidensari mir schon vorher aufgefallen ist, gesellt sich zu uns. Ich werde nach unseren Reiseplänen gefragt, und sie offeriert mir sofort, bei ihr zu übernachten. Sie bedauert es aufrichtig, dass wir schon ein Hotel gebucht haben.

Ja, ich bin wieder zu Hause.

Delhi empfängt uns mit einem Platzregen und stickiger Luft bei 37°C.

Es ist Monsunzeit.

Ich liebe es deshalb nicht weniger.