
Sonntag, 3. Oktober 2010 Lange und gut geschlafen, kein Geräusch war während der Nacht zu hören, nur tiefe Stille. Heute ist es stark bewölkt, aber angenehm in der Temperatur. Wir entscheiden uns für eine Halbtagestour auf einem alten Maultiersaumpfad hinauf zur Kirche „Il Negretino“, die mit wunderschönen Fresken ausgemalt sein soll, und wo ich für jemanden eine Kerze anzünden möchte. Der Weg führt durch Kastanienwälder und über Wiesen, stetig bergauf.
Wir begegnen einzig einer alten Frau, die uns darauf aufmerksam macht, dass die Kirche immer abgeschlossen sei, und man in einem Restaurant im Tal unten einen Schlüssel holen könne. Ja, früher konnte man die Kirchen noch offen lassen, jetzt geht das nicht mehr – verständlich und unverständlich zugleich. Da der „Negretino“ ziemlich bekannt ist, spekuliere ich darauf, dass vielleicht andere Touristen da sind - solche mit Schlüssel. Umkehren wollen wir jedenfalls nicht. Und dann sehen wir die alte Kirche auch schon, wie sie weit ober uns auf einer Waldlichtung steht.
Bevor wir das letzte Stück in Angriff nehmen, setzen wir uns auf eine Bank und scheuchen dadurch eine Hirschkuh auf, die sich ins Unterholz flüchtet. Kaum sitzen wir, erscheint ein junger Bock auf der Lichtung. Der scheint sich im hormonellen Ausnahmezustand zu befinden, denn er hat nur Augen und Nase für die Kuh, uns sieht er viel zu spät und erschrickt sich entsprechend. Das schöne Tier flüchtet blitzschnell zurück in den Wald und erspart sich so einen Korb, denn mit diesem Jungspund wird sich die Hirschdame wohl nicht einlassen. Dann machen wir uns an den Aufstieg; ich habe gar nichts dagegen, dass die Sonne nicht scheint… Oben angekommen treffen wir tatsächlich auf drei englisch sprechende Wanderer, in der bereits geöffneten Kirche! Wir können uns in aller Ruhe die Fresken ansehen, aber Kerzen gibt es da keine – beten muss genügen.
Das Wetter verschlechtert sich eher, und wir beschliessen, zügig zu unserem Häuschen zurückzukehren. Es bleibt aber trocken, und so können wir im nahen Wäldchen noch etwas Anfeuerholz sammeln, denn vorrätig sind nur grosse Scheite. Während sich der Korb füllt, halte ich Ausschau nach Pilzen, aber da gibt es nichts, was ich kenne und essen möchte. Auch die Marroni sind noch grün und wollen nicht von den Bäumen fallen, dabei habe ich meiner Freundin versprochen, ihr einen Sack voll mitzubringen. Mit dem Holz, zuckersüssen Brombeeren und Nüssen kehren wir zurück. Das scheint sich nicht geändert zu haben: In den tessiner Wäldern ist immer etwas zu finden, wenn auch nicht immer das Gesuchte. Ich erinnere mich, dass ich einmal so viele Walderdbeeren sammelte, dass meine Mutter daraus Konfitüre kochte und meine Hände vom vielen Heidelbeerpfücken immer etwas bläulich waren.
28.10.2010, 00:03 von Karin |
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