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Schweizer Arbeiter mit Euro-Lohntüte?

Schweizer Arbeitnehmer sollen in Euro entlöhnt werden, um Unternehmen vom Druck des hohen Wechselkurses zu entlasten? Ist das eine Risikoabwälzung, die gesellschaftsfähig wird?


Der Schweizer Franken wird in der aktuellen Weltwirtschaftssituation wieder mal zu einer Goldwährung – als sicherer Hafen der internationalen Finanzwelt und internationaler Anleger. Und da es sich um eine Währung handelt, die im Rücken eine äusserst stabile politische Lage hat – mit dem bald einzigen Staatshaushalt, der trotz vertretbarer Staatsquote keine neuen Schulden macht – ist die Signal- und Symbolwirkung ungebrochen. Nur kann noch so viel Geld in der Schweiz angelegt werden – im globalen Umfeld bleibt man ein Fliegendreck auf der grossen Tischplatte – entsprechend schwierig bis unmöglich ist es für die Nationalbank geworden, die weitere Wechselkursentwicklung zu beeinflussen.

Wir spüren das, wenn wir Ferien im Euro-Land buchen (noch nie so billig) oder über dem grossen Teich (einmalig billig)- also überall dort, wo wir Dienstleistungen und Waren vor Ort in der jeweiligen Leitwährung kaufen. Abgeschwächt profitieren können wir im Inland als Konsumenten bei Waren, die in Euro eingekauft wurden – wenn die Preisvorteile weiter gegeben werden. Viele unserer Lebenshaltungskosten bezahlen wir aber als Bewohner eines Hochpreislandes in der Heimwährung, inklusive aller Dienstleistungen. Sind wir zudem Arbeitnehmer einer auf Exporte angewiesenen Firma, machen wir uns allerdings auch grosse Sorgen. Denn in einer teuren Währung produzierte Güter lassen sich schwer auf Märkten verkaufen, in denen mit schwächerer Währung gekauft wird.

Doch dies alles sind betriebswirtschaftliche Probleme und Spannungsfelder, in denen sich jede Geschäftsführung zu bewähren hat. Deshalb sind die neusten Nachrichten von der Arbeitgeberfront höchst kritisch zu sehen: Kaum sind Konjunkturprognosen publiziert, die der Schweiz ein vermindertes Wachstum infolge des starken Frankenkurses prognostizieren, werden Forderungen aus Unternehmerkreisen bekannt, nach denen Löhne in Euro ausbezahlt werden sollen, statt in Schweizer Franken. Oder es werden Modelle vorgestellt, nach denen linear zur Wechselkursentwicklung Lohneinbussen bis zu 10% in Kauf genommen werden sollen.

Persönlich kenne ich den Fall, in dem einem Arbeitgeber die Argumentation ausgeredet werden musste, die bei ihm beschäftigen Personen wären eh Grenzgänger und würden daher von den günstigeren Wechselkursen profitieren. Dabei muss doch gelten: Eine im Land ausgeschriebene Stelle wird in der Landeswährung entlöhnt (wir reden hier von Angestellten- und Arbeitersalären, die nichts mit Anstellungsverhältnissen für internationale Arbeit für entsprechende Konzerne zu tun haben), und die Leistung, die ich fordere, muss ich nach den hiesigen Arbeitsmarkt- und Kaufkraftverhältnissen auch marktgerecht entlöhnen.

Hier wird ein unternehmerisches Risiko als Kostenfaktor ausgelagert – auf die Schultern der Arbeitnehmer. Im Umkehrschluss müsste das ja dann heissen, dass, wenn Importeure ihre Artikel billiger einkaufen und entsprechend mit mehr Marge in der Schweiz verkaufen können, die Löhne der Angestellten linear entsprechend steigen müssten. Ich bin wohl nicht der einzige, der keine solchen Anstellungsverträge kennt, oder?

Natürlich wird in solchen Fällen damit argumentiert, dass ohne entsprechende Massnahmen der Standort Schweiz für das Unternehmen nicht aufrecht erhalten werden könne. Dem begegnet man aber – periodisch und punktuell, wenn unbedingt nötig, mit Massnahmen wie Arbeitszeitverlängerung – zur Produktivitätssteigerung, womit die Kapazität des Unternehmens erweitert wird – in einem Markt mit guter Auftragslage, notabene. Davon haben dann wirklich alle etwas, und die Massnahme trägt nicht in erster Linie zur Gewinnsteigerung, sondern zur verbesserten Arbeitsleistung und höhere Kapazität fürs gleiche Geld bei – etwas, wofür die Schweiz generell einen hervorragenden Ruf geniesst.

In einer unmittelbaren Umwälzung von Währungsschwankungen auf die Lohntüten der Arbeitnehmer sehe ich eine Risikoabtretung – die man auch als Unternehmer nur armselig finden kann, sofern man noch ein bisschen Ehrgefühl in den Knochen hat.

 

15.06.2011, 16:51 von Thinkabout | 756 Aufrufe

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