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Fakruechte

Sommer 2011

Die Stimmung war schlecht im Sommer 2011 als sich die Jahrgänge 1946/1947 zum traditionellen Ritual der offiziellen Feier für das Alterssegment  65 trafen. Ein Festakt der ab der 40-ziger Feier ausgerichtet wird, mit Fortschreibung im Zehnjahresrhythmus bis zur Sechzigerfeier. Danach Erhöhung der Kadenz auf alle fünf Jahre. Die Schulklassen setzten sich früher immer aus zwei Jahrgängen zusammen. Um mit den Schulkameraden feiern zu können, ist deshalb bei einem Teil der Klasse eine gewisse Zeitpunktflexibilität erforderlich. Der Jahrgang 1946 stellte den dominierenden Teil der Klasse, weshalb sich die Jüngeren vom Jahrgang 1947 zum vorgezogenen Feiern bereit erklärten. 

Beim Gottesdienst in der St. Martins-Kirche ging es feierlich und ruhig zu. Allerdings waren unter den Jahrgängern keine entspannten Gesichter zu entdecken. Das ganze wirkte eher gespenstisch, wie an einer offiziellen Trauerfeier für eine wichtige Persönlichkeit, wenn zwar nicht alle tatsächlich trauern, dies jedoch tunlichst alle nicht zeigen. Eine Fernsehkamera könnte ja die nicht angepasste Mimik im falschen Moment erfassen. In der St. Martins-Kirche war keine Kamera zugegen, aber es war einfach wirklich Niemandem nach öffentlich zur Schau gestellter Lebenslust zumute. Selbst die Leute mit einem ordentlichen Kontostand auf der Bank wussten, dass es bei weniger Rente und immer neuen Zusatzkosten, im Hinblick auf einen erhofften langen Lebensabend, mit den Finanzen eng werden könnte. Zumindest der seitherige Lebensstil wäre dann nicht mehr zu halten. Ein Leben mit drastischen Einschränkungen als Damoklesschwert! 

Das Mitmachen der 1947 an der Jahrgangsfeier für das Altersband 65, war ein sehr vernünftiges Verhalten in Bezug auf Optimierung der Lebensqualität, unabhängig davon, dass allgemein das vorzeitige Feiern von privaten Geburtstagen absolut verpönt ist. Zweifellos ist jedoch zu frühes Feiern besser als die letzte Feier zu verpassen. Eine Garantie das Ziel 65 zu erreichen, gab es auch für jenen Teil der 1946 nicht, die erst in der zweiten Jahreshälfte Geburtstag hatten.

Bei jeder Zeitabschnittfeier gibt es den Tod von lieben Menschen zu beklagen, welche die Strecke auf der Zeitachse nicht mehr vollenden konnten. Bereits beim ersten Treffen zur 40-ziger Feier war der Jahrgang nicht mehr vollständig. Behandelte man in der Vergangenheit, in lockerer und aufgeräumter Stimmung, die Ausfallnachrichten mit einer Sekundenpause um die Namen durch den Speicher sausen zu lassen oder gar mit  nonchalanten Achselzucken, wenn kein rascher Abgleich zwischen Namen und Bildspeicher zustande kam, war an dieser Feier eine völlige Verhaltensumkehr zu beobachten.  

Der Jahrgangsbestand war erneut kleiner geworden seit der Feier im 2006. Der rationale Umgang mit der natürlichsten Sache der Welt weicht plötzlich einer emotionalen Sichtweise. Einerseits durch das Wahrnehmen einer länger werdenden Namensliste und andererseits, wenn man bei diesem Informationsvorgang an den Tod von Lebenszeit-Freunden erinnert wird. Verloren geglaubter Seelen-Schmerz breitet sich mit Urknallgeschwindigkeit in der Brust aus und die Hirnmasse wird mit total widersprüchlichem Gedankengut überflutet. 

Stille Freude über die Möglichkeit zum Trauern; man lebt!

Mit der Rente in Sichtweite schmiedete man doch bereits Pläne mit den besten Freunden, was man denn alles zusammen tun wolle mit der vielen Freizeit nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit und mit den monatlich zuverlässig eintreffenden sauer verdienten Rentenmoneten. Gedankenblitze jagen durch den Kopf. Trauer beim Feststellen, wer auf der Strecke geblieben ist. Stille Freude über die Möglichkeit zum Trauern; man lebt! Depressionsanzeichen beim Gedankenspiel ob die Toten besser bedient sind als die Lebenden, weil sich der unwürdige Kampf um Besitzstandwahrung erübrigt hat!

Fakruechte

08.10.2009, 02:06 von Fakruechte | 898 Aufrufe

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