Donnerstag, 28. März 2024, 15:08
 

Volle Breitseite gegen Hans Nützi und die Clariden Leu!

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich! Uraltwerbebotschaft.  


Dieser Slogan geht mir durch den Kopf, wenn ich ich in der Handelszeitung den Artikel „Mittelmass und Grössenwahn“ lese, welcher auf der Fleissebene Richtiges und Wichtiges zusammengetragen hat. Aus persönlicher Sicht als Szenekenner, gibt es bei mir jedoch einige Vorbehalte bei der Gesamtwertung des Rundumschlags gegen die Claride Leu und deren CEO Hans Nützi. 

"Die Schwäche der ältesten Privatbank ist symptomatisch für den Schweizer Finanzplatz."

Dieser Artikelstartsatz – und die Schlagzeile - wecken Neugier, doch die Beweisführung ist ungenügend. Aus dem Artikel kann ich nicht ableiten, warum der Finanzplatz als Ganzes orientierungslos und ohne Perspektiven dasteht.

Eine von ca. 300 Banken in der Schweiz, tritt auf der Stelle. Die Gründe dafür sind vielfältig und im Beitrag zu einem guten Teil erwähnt, doch fehlt es an Tiefgang bei der Betrachtung der mehrjährigen Probleme. Eine Gewichtung ist so nicht möglich und die Platzierung der Verantwortung bei einer Person ist schlicht falsch. 
 

 

"Dramen beginnen nicht selten mit scheinbar harmlosen Ereignissen. Bei Hans Nützi war es der Berufswunsch, der sich nicht erfüllte. Er träumte einst von einer Karriere als Chirurg. Stattdessen schaffte es der gross gewachsene Sohn eines Viehhändlers aus dem solothurnischen Aeschi nur zum Bankangestellten "

Das sind überflüssige Zeilen, weil Informationsdialoge zugrunde liegen nach denen die Journalisten lechzen sobald Personen nur ein bisschen bekannt genug sind, damit deren Smalltalk Geplapper zum Abfüllen von Spaltenfutter reicht. Welchen Berufswunsch hatten sie während der Schulzeit, nach der Matura oder vielleicht auch schon während des Kinskis, wollen Medienvertreter endlos von der prominenten Abendkleidkäuferin bis hin zum gefeierten Wirtschaftskapitän wissen. Dabei werden Promiantworten immer gedruckt, egal wie banal die Journalistenfrage auch war. Dies völlig im Gegensatz zum Abdruck von Leserbriefen, wo oft eine rigide Auswahl stattfindet. Die Anmerkung zur Berufslaufbahn könnte am Anfang eines Rosamunde Pilcher Buches stehen, aber im Zusammenhang mit einer ernsthaften Kritik am CEO einer Privatbank wirkt sie einfach lächerlich. 

Beim Lesen des Artikels beschleicht mich das Gefühl, dass es um eine bezahlte Publi-Reportage geht, mit dem Ziel Hans Nützi abzuschiessen! Journalisten dürfen dies, sie müssen ja auch von Etwas leben und klar, möglich ist alles. Aber als CEO einer Tochterbank einer Grossbank, sitzt man ohnehin auf einem unkontrollierbareren beruflichen Schleudersitz denn als Kioskverkäufer am Paradeplatz. Dem Verkäufer müssen konkrete Vergehen oder Defizite nachgewiesen werden, damit seine Anstellung in Gefahr gerät. Nicht so bei Führungskräften im Banking. Bank Manager haben einen Nutzen auf Verfall, wobei dieses Datum häufig nicht vorher erkannt werden kann und trotzdem kann das Verfalldatum über Nacht eintreten. Hat man aber keine goldenen Löffel geklaut, wird das Anbringen des Verfalldatums durch gewisse Schmerzverträglichkeitskriterien abgefedert. Das Arrangieren hinter den Kulissen ist in der Regel die weit aus bessere Variante als ein Gang vor Arbeitsgericht. Selbst wenn man mit der eigentlichen Begründung nicht einverstanden ist.
 

Hans Nützi macht an dem Tag Platz, wo die CS-Mutter in Gestalt von Walter Berchtold dies so beschliesst, dem Hans mitteilt und der Öffentlichkeit verkündet. Eine immer mögliche Variante im Machtspiel ist es, wenn einer der untergeordneten Manager sich Hoffnung auf Aufstieg macht und mit persönlichem Einsatz die erwartete Entwicklung beschleunigen will, indem der CEO mit Hilfe von Indiskretionen an die Presse gezielt geschwächt werden soll!  Wir natürlich zum veritablen Rohrkrepierer, wenn die Sache auffliegt und immer wieder wird das Gegenteil erreicht. Die Position des Wackelkandidaten wird gestärkt.

Richtig ist, die Clariden Leu hat seit der Fusion nicht wie erwartet geglänzt sondern substanzielle Asset Verluste hinnehmen müssen. Ohne Hans Nützi einen unbegrenzten Persilschein ausstellen zu wollen, erfordern doch die Fakten und das vermutete Wirtschaftswissen beim Artikelautor, eine umfassendere Situationsanalyse und womit der Weg frei ist für einen faireren Umgang mit der Verantwortung von Hans Nützi.  

Der Zusammenschluss der Clariden Bank und der Bank Leu, plus 3 weiteren CS-Privatbankentöchtern, wurde von der Mutter beschlossen. Der Verlust an Personal und Kunden war bei einer solchen Megafusion sicher eingeplant. Allein die nicht vorhergesehene Banken- und Finanzkrise – und vor allem deren völlig unterschätzte Eskalationskräfte -  haben jede übliche Fusionswehenvorhersage zur Makulatur gemacht. Die Gewalt dieser Turbolenzen an den Finanzmärkten hat als Hebel gewirkt und die GL-Mitglieder der drei kleinsten Fusionsbanken – zusammen mit ganzen Teams von langjährigen Privat Banking Beratern - zur Konkurrenz wechseln lassen.

Das passiert auf dem Finanzplatz Zürich immer wieder, aber in dem personellen Ausmass - und mit der Erfolgsquote beim Kunden und Assets mitnehmen -  handelt es sich um einen Vorgang mit seither nicht registrierten Dimensionen. Die Finanz- und Bankenkrise hat den Nährboden bereitgestellt, dass die wechselwilligen Private Banker mit kleinem Aufwand, viele der langjährigen Kunden zum NACHFOLGEVERLANGEN, d. h. Kunden erklären schlicht, dass sie aus freien Stücken auf die Beratung durch den seitherigen Betreuer nicht verzichten wollen und deswegen ihre Depots zum neuen Arbeitgeber des alten Betreuers zu transferieren sind. Diese „leichte Beute Zeit“ gehört auf dem Finanzplatz Zürich bereits wieder der Vergangenheit an (nach schmerzvollen Zwischenjahren.) 


Nützi gehörte anfänglich nicht zu den Gewinnern im Fusions-Powerplay.  Es waren übermässig viele Clariden Leute, welche das neue Management dominierten. Dafür gibt es zwei Gründe. Einerseits hatte die Clariden einen sehr profitablen Track Record vorzuweisen und ausserdem waren aus historischen Gründen die Top-Manager an der Bank beteiligt. Das entsprechende Kapital war effektiv irrelevant, aber die Kombination aus Manager und Aktionär verschaffte wenigen Personen einen Vorteil im Vorfeld der Fusion. Diese Ausgangsposition hat das Aufstellen von (Verhandlungs-)Forderungen erlaubt, während fast alle anderen Manager zur Kenntnis nehmen mussten, was beschlossen worden war. 

Lapidar wird auch erwähnt, dass Beat Wittmann zur GL von Clariden Leu gehörte. Es war aber Wittmanns Abgang, d.h. Wechsel zur Bank Bär, welche die Anfangskonstellation völlig durcheinander brachte.  Soweit ich mich erinnere waren es dann auch schlicht viele Kader und Angestellte die Wittmann zur Bank Bär folgten. Beat Wittmann, Star-Produktentwickler bei der alten Clariden und in dieser Rolle Trendsetter in der Finanzindustrie Schweiz, hat mit seinem Abgang der Clariden Leu viele Probleme bereitet, die im Artikel unerwähnt bleiben. Wittmann selber hat den angestrebten Erfolg bei der Bank Bär nicht erreicht. Das Traumduo Alex Widmer, CEO Bank Bär, und Gewinnturboproduzent Beat Wittmann, haben bei Vertragsabschluss ebenfalls die dramatische Entwicklung in der Weltfinanzindustrie nicht realistisch genug wahrgenommen. Kurz: Beat Wittmann und ein rechter Teil der von Clariden Leu mitgenommenen Kader mussten die Bank Bär wieder verlassen. Alex Widmer hat im Dezember 2008 völlig überraschend (und bis heute ungeklärtes Spekulationsthema) den Freitod gewählt.


Fakt ist, dass B. Stalder vom Gewinner der Fusion zum Verlierer mutierte. Dieser Teil wird im Bericht auf Krankheit reduziert. In der Insider Gerüchteküche waren damals auch andere Stories im Umlauf. Wer sich aufs Powerplay einlässt, braucht mindestens soviel Energie wie der / die Gegner, darf keine Fehler machen, wozu zuvorderst gehört, den Gegner nicht zu unterschätzen. H. Nützi wurde zum Gewinner, B. Stalder zum Verlierer. Bei der CS wird man die Gründe für diesen Ausgang kennen.

Der CEO einer Bankentochter einer Grossbank darf ohne Okay gerade mal einen Furz in seinem Büro ablassen und sonst bewegt er sich innerhalb bekannter und abgesteckter Leitplanken. So gesehen ist Hans Nützi auch nicht verantwortlich, zumindest trägt er keine Alleinverantwortung für die heutige Situation. So gab es auch viele Übungen, wo Dienste zur CS ausgelagert worden sind, die man letztlich wieder an die Clariden Leu zurückgegeben hat. So ist für eine richtiger Privatbank auch ein eigener Devisenhandel unverzichtbar. 

Leute am Hauptsitz von grossen Organisationen und Unternehmen behaupten immer gerne, dass der angestrebte Nutzen von Skaleneffekten die Zerschlagung und parallel die Zentralisierung  von Abwicklungsprozessen rechtfertigt. In der Industrieproduktion trifft dies sicher zu. In der Dienstleistungsindustrie trifft es – häufig – nicht zu. Kunden sind wie Rehe. Wittern sie Ungemach sind sie weg und suchen sich eine neue passende Umgebung. Die Kunden wollen erstklassigen Service, welche übrigens alle Privatbanken bei der Akquisition und beim Kundenkontakt immer gebetsmühlenartig versprechen. Dies einzuhalten ist jedoch nicht so einfach! Wo die Personaldecke nur für die Belastung an normalen Arbeitstagen reicht, können die Erwartungen von Wralth Management Kunden rasch nicht befriedigt werden. Kunden interessieren sich nicht für sind die im Hintergrund ablaufenden Verarbeitungsprozesse solange ihr persönliches Servicegefühl stimmt. Was Kunden aber definitiv nicht wollen sind ständig wechselnde Ansprechpartner. Reaktionsfähigkeit "d.h. Geborgenheitsgefühl" ist dann auch schnell ein Beziehungskiller, wenn Fehler, Abklärungs- und Reaktionsprobleme in Verbindung mit ausgelagerten Servicebereichen gebracht wird. 

Zahlen für sich alleine betrachtet, sind nicht aussagekräftig. Wenn 400 von insgesamt 1783 Mitarbeitenden die Bank in einem Jahr verlassen, muss die Zahl zerlegt werden. Wie viele Personen wechselten z. B. zur CS und wie viele wurden freigestellt, weil ganze Produktbereiche - und somit auch überflüssige Abwicklungskapazität - aufgegeben wurden? Ausserdem ist eine Fluktuationsquote von rund 22 Prozent zwar nicht schön heutigen Arbeitsmarktumfeld, aber auch nicht sensationell schlecht. Eine Fluktuation von zehn Prozent ist eher der untere Rand, d. h. diese Zahl wird selbst bei schlechtem Arbeitsmarkt locker bei vielen Firmen erreicht. Bei boomender Wirtschaft erreicht die Fluktuation in den Boombranchen schnell mehr als 25 bis locker hin zu 33 Prozent.

Die 30 Milliarden Franken Verlust bei den verwalteten Vermögen sind massiv und tun entsprechend weh und dies soll hier nicht schön geschrieben werden. Von einem Bericht in einer Wirtschaftszeitung erwarte ich jedoch, dass diese Zahl Anmerkungen zu Währungseffekten sowie zur Bankgeheimnis / Deutschland Problematik enthält.

Das Gerücht, dass die alte Bank Leu und seit der Fusion die Clariden Leu zum Verkauf steht, hält sich seit Jahren. Ja, es wurden zwischendurch Käufernamen wie die Deutsche Bank genannt. Passiert ist immer wieder nichts. Ja, Hans Nützi könnte ersetzt werden, Ein potenziell mögliches Schicksal, das jedem Bank CEO per se droht. Wissen tut es „nur“ Walter Berchtold und sein Vertrauensmann Peter Eckert als VRP des Verwaltungsrats der Clariden Leu. Sie sind die handlungsbefugter Entscheidungsträger der CS. Von ihnen stammen die kunterbunten Geschichten zu Hans Nützi sicher nicht. Sicher ist dagegen, dass es die Clariden Leu noch lange geben wird, denn kein Käufer wird Clariden Leu kaufen, um hinterher einen Brand – so wertvoll wie ein ungeschliffener Diamant – durch Integration zu vernichten.

Die Clariden Leu verdient eine Mannschaft, die zusammen in eine Richtung rudert. Vorschläge fürs Ruderboot liefere ich gerne. Clariden Leu verfügt in jedem Fall über beste Voraussetzungen um den angestrebten Platz auf dem Banker Olymp doch noch erfolgreich zu besetzen.
 

Aktualisiert 18.01.2011 03.10

17.01.2011, 02:56 von Relax-Senf | 6631 Aufrufe

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