Freitag, 29. März 2024, 13:58
 

Altdeutsch – Neudeutsch – Schwiizertüütsch
Deutsches Sprachg – schweres Spragg

Die Deutsche Sprache bietet einen herrlichen Variantenreichtum beim Zusammensetzen von Wörtern, mit denen treffende Wortschöpfungen geschaffen werden können um eine kompakte Kernaussage zu machen. Die unendlichen Kombinationsmöglichkeiten machen es Gelegenheitsschreibern wie täglichen Textproduzenten möglich, mit mehr als dem Minimalwortschatz von dreitausend Wörtern zu glänzen. Deutsche Sprachkultur im Vordergrund anstatt mysteriöse Fremdwörter.

Längst bekannt und von mir akzeptiert ist die Feststellung, dass Deutsch eine schwer zu erlernende Fremdsprache ist und diese Einstufung stammt nicht von mir sondern wird auch von Sprachexperten mit Mehrsprachenfertigkeiten so bestätigt. Im Berufsalltag lasse ich dann auch immer eine ordentliche Spanne Grosszügigkeit zu, wenn ich das Deutsch von Personen beurteile, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Bei guter und entspannter Gesamtstimmung verteile ich auch trotz Stolperstellen Komplimente, indem ich zur Freude von Deutsch-als-Fremdsprache parlierenden augenzwinkernd festhalte, dass auch die Muttersprache-Deutschen immer und überall ordentlich Mühe mit dem fehlerfreien Sprachgebrauch haben.

Das ist nicht übertrieben und hilft eine Gesprächssituation zu entspannen, in der ich wichtigere Kriterien herausfinden und testen will, wie „nur“ die mündliche Sprachstärke. Ein allfälliges mündliches Sprachdefizit lässt sich ja auch durch gezielt Massnahmen und viel Übung beheben. Eigentliche Persönlichkeitsschwächen lassen sich dagegen eher nicht beheben und bei fachlichen Mängeln kann es eventuell zu lange dauern bis Besserung eintritt. Aufgefallen ist mir auch im Laufe einer langen Berufspraxis, dass selbst in der Schweiz geborene Personen und mit  Schulbesuch Schweiz, kleine Sprachumgangsfehler aufweisen, wenn beide Elternteile fremdländischer Herkunft sind und die Kinder mehrsprachig aufgewachsen sind.

Diese Ausführungen sollen aufzeigen, dass ich die korrekte Anwendung der Deutschen Sprache als einen anspruchsvollen, komplexen Vorgang betrachte und dabei feststelle, dass die Anwendung der Messlatte gegenüber Dritten einfacher zu handhaben ist, wie selber immer und allzeit den Ansprüchen zu genügen, die sich bei Leserinnen und Lesern beim Betrachten fremder Texte einstellen. Das verstehe ich jedoch sehr gut, denn die Fehler anderer Personen sehe ich auch immer sofort. Nicht jedoch die eigenen, wenn ich den Text selber tippe. Meine frühere langjährige Sekretärin, heute wäre die korrekte Bezeichnung Executive Assistant, sagte mal in einer Smalltalk-Runde: Vor dem Unterschreiben liest er nur diagonal, aber sein Blick fällt immer auf die Stelle  wo sich ausnahmsweise ein Fehler befindet.

Es besteht also eine gewisse Sprachkompetenz, die nicht zuletzt der Selbstsicherheit zuträglich ist und bei Bedarf auch die Argumentationslust weckt und das Führen des Wortschwerts erlaubt. Jetzt muss ich allerdings feststellen, dass meine Sprachkompetenz nicht mehr so makellos erkennbar ist, wie es ehedem auf Geschäftsbasis der Fall war. Doch es ist nicht einfach der Schlendrian der Einzug gehalten hat. Es ist nicht so, dass es mir wurscht ist, plötzlich Fehler reihenweise zu übersehen, die andere Personen mit einem Blick ausmachen. Die mögliche - zum Teil nur vemeintliche - Fehlerquote die mich ärgert, steht im Zusammenhang mit vier Hauptzusammenhängen.

a) Bloggen
b) Neue Kommunikationsformen – steigende Volumen und Druck für Antwort sofort
c) Rechtschreibreform
d) Wahl zwischen Deutscher und Schweizer Rechtschreibform

a) Bloggen
Persönlich sehe ich mich als Lustblogger, d.h. ich schreibe nur wenn mich die Stimmung dazu überkommt, was bei genügend Lust oder Reiz der Fall sein kann. Fange ich jedoch ein Thema an, dann wird in die Tastatur gegriffen und wenn ich fertig bin stelle ich den Artikel relativ rasch ins Netz. Und dies vor einer abschliessenden „Okay“ Kontrolle, weil ich bei jedem Durchlesen den Text verbesserungswürdig empfinde. Mit jedem Durchlesen verbessere ich erneut. Fünfmal, zehnmal, es hört nicht auf. Mit der dummen Folge, dass mir immer mehr zum Thema einfällt oder eben auch Fehler entdecke. Korrekturen,  Ergänzungen und Satzumstellungen, die oft zusätzliche Abänderungen an anderen Stellen notwendig machen würden, die aber dann übersehen werden.  So ist dann auch das Absenden ein Schutzmechanismus betreffend Zeitmanagement, denn es warten immer längst überfällige To-Do-Posten auf mich und gleichzeitig ist es in der Regel höchste Zeit um den Stecker zu ziehen.

In den folgenden Tagen sehe ich bei gelegentlichem Hinsehen die Fehler zum Grossteil selber. Schlimm ist es, wenn ich schon zum Aufstehkaffee von Frau Relax hören muss, ich soll doch mal - wenn die Augen offen sind – die Fehlerbehebung anpacken. Die Fehler in meinen Artikeln sind mir nicht gleichgültig, aber sie bereiten mir auch keine schlaflosen Nächte. Ich gehe entspannt damit um. Mit Freude habe ich deshalb folgende Worte bei einer promovierten Bloggerin mit Niveau gelesen: [….] … um aktuell zu sein ….aber dennoch ohne unmäßige Schufterei. Deshalb korrigiere und redigiere ich die Texte, bevor ich sie ins Netz stelle, nicht! Sie sind daher nicht zitierfähig!  […]

Diese Feststellung ist Seelenbalsam für mich und mein vergleichbares Vorgehen.

b) Neue Kommunikationsformen – steigende Volumen und Antwort sofort
Täglich erhalte ich ein ordentliches Volumen an SMS und Emails. Diese Möglichkeit zur raschen Kommunikation und sozialen Interaktion ist natürlich eine herrliche Informationsbereicherung und zum Teil ein von mir durchaus  geschätzter Aspekt von erhöhter Lebensqualität. Volumen und die verbreitete Erwartung von rascher Reaktion, kann als Folgeerscheinung das Absenden von Texten begünstigen, die bei mehr Zeit besser ausgefallen wären. Smartphone  Einsatz und die Umgebungsfaktoren unterwegs, wirken sich ebenso qualitätsmindernd aus.

c) Rechtschreibreform
Da geht es mir zuvorderst um etwas ganz Banales. Die Verwendung von Du, Dein, Dir, Euch etc. Nicht wundern, die Regel habe ich schon begriffen. Allein die Anwendung ist trotzdem nicht übersichtlich einfach, weil ich einen grossen  Generationengraben in der Anwendung feststelle. Wobei die sehr Jungen ohnehin eine Tendenz zeigen, allgemein auf die Kleinschreibung zu setzen, wenn es sich um private Cyberspace Kommunikation handelt. Je nach ausgeübtem Beruf werden im Geschäftsleben die Regeln korrekt und sicher angewendet. Bei älteren Freunden und Bekannten stelle ich mehrheitlich fest, dass die Rechtschreibreform betreffend Du, Dir, Dein etc. ignoriert wird. Ausnahmen sind ältere Semester die noch arbeiten und dies in einer Bürofunktion. Die glänzen dann mit Umsetzung der Duden Richtlinien. Diese ganze Geschichte führt dazu, dass ich – sofern ich auf etwas antworte – immer zuerst einen Blick auf die Variante werfe, die der Absender gewählt hat, um mich dann angepasst zu verhalten. Bei den kürzlichen Weihnachts- und Neujahrs-Grüssen ging das nicht. Deshalb habe ich mich dann für Altdeutsch entschieden.

Die substanziellen Änderungen der Rechtschreibreform haben auch durchaus ihre Anwendungstücken, weil die Vielfalt der anzutreffenden Rechtschreibung zugenommen hat. So sind weder Print- noch Online-Medien jene zuverlässigen Anwendungsvermittler, die sie einst waren. Für die Prime Medien, wie z. B. die NZZ in der Schweiz trifft dies natürlich nicht zu. Doch heute liest man ja nicht mehr eine Zeitung sondern liest täglich ein Spektrum von Medien so wie sie im Medien Radar bei mycomfor anzutreffen sind.

Moderne Schreibprogramme besitzen oft eine automatische Korrekturfunktion. Doch aufgepasst. Das Korrekturprogramm von Word hat zwar grosse Fortschritte gemacht und zeigt inzwischen auch rudimentäre Grammatikfehler an. Es ist jedoch wie beim Siegeszug der Taschenrechner. Wer nie Kopfrechnen gelernt hat, dem fehlt jedes Gefühl für das blitzschnell angezeigte Resultat, das eben blitzschnell falsch sein kann. Mit dem Word Korrekturprogramm ist es ebenso. Wer blind auf die Vorschläge vertraut, übernimmt völlig abstruse Korrekturen und kann einen anfangs richtigen Text durch Verschlimmbessern total zur Sau machen. Es kann dann vorbei sein mit der Toleranz beim Leser, wenn die ärgerlichen Fehler nicht mehr als Tippfehler und Auslassen der Höherstelltaste erkennbar sind sondern als linguistisches Bemühen von kürzlich zum Sprachkurs verdonnerten Asylanten.

d) Wahl zwischen Deutscher und Schweizer Rechtschreibform   
Mit Freunden und Bekannten in Deutschland und der Schweiz sowie als  Blogger mit Ausrichtung auf den deutschen Sprachraum,  warten natürlich genügend Fettnäpfchen um mit mangelndem Grundwissen aufzufallen. So heisst es in der Schweiz als zwei Musterbeispiele nicht Fußball und nicht Straße sondern Fussball und Strasse. In der Schweiz gibt es kein „ß“  sondern alle entsprechenden Wörter werden mit „ss“ geschrieben, Das „ß“  fehlt auf der Schweizer Standardtastatur und müsste mit programmierbarer Sondertaste zum Leben erweckt werden. 

Nach der Anrede folgt kein Komma und allenfalls Kleinschreibung sondern der neue Satz beginnt immer in Grossschreibung. Dies ist die klassische CH-Version. Es gibt jedoch auch zunehmend Schweizer und zugereiste Deutsche, die nach der Anrede das Komma setzen, womit auch diese Darstellung nicht mehr völlig einheitlich erfolgt.

Den grössten Unterschied beim Schreiben zwischen Deutschen und Schweizern besteht jedoch in der Anrede. Sobald ein längerer Kontakt besteht und die zwischenmenschliche Chemiekomponente auf entspannt und i. O. steht, wechselt man vom „Sehr geehrter Herr X / Sehr geehrte Frau Y“ auf „Lieber Herr X / Liebe Frau Y.“ Und ich wiederhole, diese Aussage gilt auch für bestehende, gute Geschäftsbeziehungen. Ja selbst Werbebriefe von unbekannten Absendern können so formuliert sein, wobei ich daran weniger Freude habe.

Auch die Grussformel heisst häufig „Liebe Grüsse oder Herzliche Grüsse“. Diese Aussagen sollen auch verstehen helfen, dass auch Kommentare unter Bloggern durchaus mit „Lieber George“ geschrieben werden und daraus keine andere  Interpretation zulässig ist als den normalen CH Sprach- und Stil-Gebrauch zu erblicken.

Alte Freunde und Bekannte in Deutschland – sowohl vom Alter als auch von der Zeitdauer der sozialen Verknüpfung – tun sich mit den oben beschriebenen freundschaftlichen Grussformeln schwer. Man hat von den Jungen das nichtssagende und versteckende, formlose Hallo zur Begrüssung übernommen. Für den Schlussgruss reicht es dann eher wieder zu lieben und herzlichen Grüssen. Meine Zeilen nach Deutschland, die mit "Liebe" beginnen und mit "Liebe" aufhören, sind jedoch nicht einfach als Liebeshuldigung zu begreifen. Deswegen auch nicht als stürmische oder Augenbrauenhebende Annäherung zu taxieren. Es ist "nur" umgangssprachlich korrekte Schweizer Schreibkultur, die eben  durch die harmonische Ausdrucksweise auch eine Verbundenheit, d.h. Interesse an der Kontaktpflege mit spezifischen Personen aufzeigt. Und dieses Interesse am aktiven Kontakt darf dann auch bei den Angeschriebenen zum Wärmen der Seele gebraucht werden, ohne dass es mehr bedingt als ebenfalls am sozialen Kontakt interessiert zu sein. Aber ob Hallo oder Lieber Relax, auch das Erstere bereitet mir keinen Schmerz.   

Diese Zeilen sollen jedoch zu verstehen helfen, dass die erkennbare Fehlerquote beim Schreibenden nicht unbedingt so schrecklich ist, wie es den Anschein macht. Und dies ist umgekehrt auch zu beachten. Regt man sich über vermeintliche Fehler weniger auf und übt Toleranz bei lokalen und individuellen Schreibweisen, dann gewinnt der Inhalt und dies betrachte ich in jedem Fall als wünschenswert und entscheidend für gute Kommunikation.

Aktualisiert 05.01.2012 14:00

05.01.2012, 04:34 von Relax-Senf | 6185 Aufrufe

Kommentare

Kommentare werden geladen ...

Wir über uns

Wer ist online?

Benutzer: 1
Gäste: 961

Share

Neuste Blogeinträge

Avatar
15.03.2024, 00:00
Avatar
26.02.2024, 01:01
Avatar
24.02.2024, 01:55
Avatar
24.02.2024, 00:20
Avatar
09.02.2024, 02:29
Avatar
24.12.2023, 03:22
Avatar
20.10.2023, 02:07
Avatar
15.09.2023, 00:54
Avatar
30.08.2023, 02:03
Avatar
27.08.2023, 22:19
Avatar
26.08.2023, 03:45
Avatar
11.08.2023, 01:18
Avatar
12.07.2023, 22:48
Avatar
09.07.2023, 22:41
Avatar
16.04.2023, 23:07
Avatar
21.03.2023, 02:34
Avatar
07.03.2023, 20:14
Avatar
04.03.2023, 03:40
Avatar
21.02.2023, 15:43
Avatar
19.02.2023, 21:23
Avatar
17.02.2023, 02:41
Avatar
16.02.2023, 01:58
Avatar
15.02.2023, 02:35
Avatar
15.01.2023, 20:48
Avatar
12.01.2023, 15:40
Avatar
09.12.2022, 23:01
Avatar
30.11.2022, 14:36
Avatar
12.10.2022, 02:45
Avatar
05.09.2022, 03:47
Avatar
29.08.2022, 03:33
Avatar
21.08.2022, 21:55
Avatar
17.08.2022, 22:37
Avatar
16.08.2022, 17:39
Avatar
16.07.2022, 01:12
Avatar
10.07.2022, 03:08
Avatar
28.06.2022, 01:23
Avatar
11.06.2022, 17:26
Avatar
28.05.2022, 23:27
Avatar
20.05.2022, 02:47
Avatar
22.04.2022, 00:10
Avatar
31.01.2022, 02:42
Avatar
23.01.2022, 00:57
Avatar
16.01.2022, 22:01
Avatar
29.12.2021, 02:57
Avatar
14.11.2021, 00:54
Avatar
08.11.2021, 21:08
Avatar
03.11.2021, 18:11
Avatar
27.09.2021, 00:22
Avatar
12.09.2021, 22:00
Avatar
03.08.2021, 02:59