Migros und Coop im Wettstreit - Teil 2: Vor dem Aldi-MarkteintrittSelbstverständlich war für die Schweizer Detailhändler die Frage, wie einem Markteintritt deutscher Discounter zu begegnen wäre, lange vor deren tatsächlichem Start von Aldi (Oktober 2005) und Lidl (März 2009) in der Schweiz ein Thema. In der grundsätzlichen Beurteilung dürften Migros und Coop die Verschärfung des Wettbewerbsdrucks etwas unterschiedlich beurteilt haben – entsprechend verschieden waren auch die feststellbaren konkreten Massnahmen. Während (in der Presse kaum ein Thema) im Hintergrund beständig Logistikverbesserungen angestrebt wurden, sind an der Verkaufsfront zwei herausragende Leistungen zu betonen: Die Migros lancierte schon 1996 die Discount-Linie M-Budget, mit der anfänglich weniger als hundert Artikel des täglichen Bedarfs zu absoluten Discount-Preisen angeboten wurden. Das Projekt wurde gut schweizerisch sehr vorsichtig angestossen. Man sah sehr wohl auch Risiken, nicht nur Chancen und unternahm vor allem zu Anfang hohe Anstrengungen, um auf keinen Fall über qualitative Einbussen in die Kritik zu geraten. Würde das Konzept eines Mehrklassen-Sortiments funktionieren? Die Sorge war unbegründet. M-Budget ist eine Marke geworden und stellt eine der grössten Marketing-Leistungen im Schweizer Detailhandel dar. Auch einzelne Produkte aus M-Budget machten Furore: Der Energy-Drink verlieh den jungen Konsumenten noch mehr Flügel als Red Bull…! Coop trimmte sich derweil organisatorisch fit: Die Konsumenten mögen im täglichen Einkauf nichts davon spüren, doch was Hansueli Loosli per 1. Januar 2001, pünktlich zum Start ins neue Jahrtausend unter dem Namen Coop Forte realisierte, verschafft Coop bis heute einen Agilitätsvorsprung im Wettstreit mit der Migros: Mit diesem Datum wurden die Regionalgenossenschaften aufgelöst und damit die Führung des Detailhändlers extrem entschlackt und gestrafft. Bis heute erleichtert das die schnelle Beschlussfassung und Umsetzung von operativen Zielen, während es völlig illusorisch bleibt, die Migros könnte ähnliches erreichen: Viel zu gross ist der Einfluss und Widerstand der zehn Regionalgenossenschaften, die bis heute sehr viel mehr in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden müssen, als dies das Team von Loosli bei Coop tun muss. Doch Coop schnitt weitere alte Zöpfe munter ab. So fiel per Mai 2001 die individuelle Preisauszeichnung auf den Produkten selbst weg. Daneben hiess die Losung eindeutig, sich auf dem Markt so stark aufzustellen, dass es Konkurrenz schwer haben würde, überhaupt Fuss zu fassen – bzw. man mit Coop in jedem Fall DER Kompetenzpartner des Konsumenten in der Nähe des Discounters sein würde. So wurde viel, sehr viel in die neue Gestaltung der Verkaufsflächen investiert – und Expansion angestrebt – schwierig in einem Markt mit so hoher Sättigung, in dem Migros und Coop in Sortimentsbereichen von Nearfood (Haushaltwaren z.B.) bereits einen Marktanteil von etwa 85% erreichten… Und doch fanden sich angestammte Lieferanten des Schweizer Detailhandels in schneller Folge damit konfrontiert, dass ihnen für immer grössere Vertriebsbereiche immer weniger Ansprechpartner gegenüber sassen: 2002 wurde die EPA übernommen, aus deren Filialen Coop-City-Warenhäuser entstanden. Die Waro folgte 2003 (vier Jahre später sollten noch die 12 Carrefour-Filialen hinzukommen): Alles mögliche Verkaufsstellen für Coop-Mega-Stores, in denen das gesamte breite Angebot des Detailhändlers verkauft werden konnte. Die Migros hatte auch hier den ersten Schritt gemacht – 1997 mit dem Kauf der Globus-Gruppe, zu der unter anderem die ABM-Läden gehörten – welche bald sang und klanglos verschwanden. Schönere Coop-Läden, gleichzeitig der Aufkauf ursprünglich eher billiger verkaufender Konkurrenten – Coop gab Gas, und der kommunikativ höchst begabte Chef Loosli hatte auch keine Mühe, einmal so schön in Fahrt gekommen, auch noch einen Fehleintscheid aus früheren Jahren zu korrigieren: Im Januar 2005 lancierte Coop die eigene Discount-Linie Prix Garantie, und kopierte damit das Migros-Konzept mit M-Budget, über das man zuvor öffentlich immer nur kritische bis abschätzige Worte geäussert hatte. Mit diesem Schritt wurde der Startschuss für eine neue Wettbewerbsrunde gelegt: Zehn Monate, bevor der erste Aldi-Laden in der Schweiz eröffnete, hatten die lokalen Branchenprimusse Migros und Coop definitiv für alle Distributionsschienen sich gleichende Konzepte gefunden – und damit zu einem Konkurrenzverhalten, das in allen Bereichen noch schärfer werden sollte – mit Coop in der Offensive, der sein Hochpreis-Image unbedingt loswerden wollte. Im dritten Teil wird es darum gehen, die Veränderungen in diesem Wettbewerb, einige ihrer Auswirkungen und die Wahrnehmungen im Markt näher darzustellen.
19.01.2011, 17:50 von Thinkabout |
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